Marijon Walter
In der Fotokunst von Marijon Walter gibt es zwei werkprägende Genres, die klassische Street Photography und die jüngere Serie der „Flowers“. In dieser konzeptionell ausgerichteten Werkgruppe inszeniert Walter Stillleben mit Blumen in Vasen vor monochromen Hintergründen. Die frontal aufgenommenen Sträuße zeigen die Farbintensität, Eleganz und Vergänglichkeit der Blumen wie Tulpen, – „Mystic Tulips“ genannt –, Chrysanthemen, Päonien, Mohnblumen und Anemonen. Die Blüten erscheinen plastisch wie präsent und offenbaren eine eigene Realität sowie ihre betörende und auch verstörende Aura. Walter arbeitet mit Auflagen von bis zu 30 Exemplaren und verwendet bei jedem Motiv sowohl eine klare Ausführung, als auch eine mit starken Unschärfen, die den Wirklichkeitsgehalt des Wahrgenommenen hinterfragt.
Bei den „Streets“ genannten Werken im Portfolio von Walter handelt es sich um in Schwarz-Weiß an belebten Straßen und Boulevards in europäischen Metropolen wie London, Paris, München oder Venedig aufgenommene Bilder. Dabei fängt die Fotokünstlerin vereinzelte Personen und Gruppen von Menschen ein, die in ihrer städtischen Umgebung wie natürlich eingebettet erscheinen. Das fotografische Bild hält in Schnappschussästhetik einen Moment fest, der zwischen realistischer Wiedergabe und Inszenierung schwebt. Es sind flüchtige Augenblicke, in denen Mensch und Setting durch Komposition, Kontraste und Lichtfülle eine Einheit bilden. Dabei wählt Walter verschiedene, unkonventionelle Perspektiven aus, so fotografiert sie Szenen auf Augenhöhe in einer Menschenmenge, oder tiefer aus etwa Kniehöhe oder sogar einem der Froschperspektive nahekommenden Standpunkt, wodurch ihre Fotografien lebendig und authentisch wirken. In manchen Arbeiten werden skurrile Details und überwirkliche Aspekte der Außenwelt aufgegriffen.
Das fotografische Auge von Marijon Walter widmet sich in farbigen Aufnahmen auch Menschen am Strand, in öffentlichen Badeanstalten, bei kulturellen Veranstaltungen und beim Sightseeing. Die Fotoarbeiten von Marijon Walter sind komponiert und setzen partiell Bewegungsunschärfe ein, um Flüchtigkeit und Dynamik einzufangen. Die Künstlerin belebt mit ihren Arbeiten der Straßenfotografie eine Tradition des Mediums wieder, deren bekannteste frühe Vertreter seit 1930 Henri Cartier- Bresson und André Kertész in Paris waren und die in den 1960er-Jahren zu einem Höhepunkt in den Vereinigten Staaten kam.
Marijon Walter stammt aus Mainz und studierte Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Fotografie, u. a. in Plymouth in Großbritannien und in London. Sie stellt ihre Fotokunstwerke seit 2018 national aus und war Finalistin des Fotowettbewerbs „Short Street Stories“ zu Ehren Martin Parrs auf den Trieste Photo Days 2019. Marijon Walter lebt und arbeitet in München.